Denk´lairs Blog of Air Discussions

In diesem Blog schreiben wir immer mal wieder eigene Gedanken rund um die Fliegerei auf oder nehme Texte aus anderen Quellen auf. Dabei versuchen wir einen Fokus auf Themen der Flugsicherheit zu legen. Enjoy!



Situationsbewusstsein (SA)

Situational Awareness SA

- Feb 2024 by Knut Denkler

Situationsbewusstsein ist ein Konzept, das zunehmend in Untersuchungsberichten zu Flugunfällen verwendet wird.

Ein Beispiel (NTSB Identification: 102403):
Ein Pilot kollidiert im Endanflug der Piste mit einer Hochspannungsleitung. Es stellte sich heraus, er flog nicht den tatsächlichen Flugplatz an, sondern ein Feld in unmittelbarer Nähe, dass aufgrund vorangegangener Nutzung als Lagerfläche dem Flugplatz nicht unähnlich sah.
Als Wahrscheinliche Ursache wurde angegeben:

Das Versäumnis des Piloten, bei seinem Landeversuch den Abstand zu Stromleitungen einzuhalten, und sein Verlust des Situationsbewusstseins führten dazu, dass er ein Lagerfeld falsch als Landeflugplatz identifizierte.

Ein anderes, generisches, Beispiel, welches durchaus häufiger vorkommt:

Ein Pilot fliegt Strecke zu einem anderen Flugplatz, höher als sonst, da die Luft über den Kumuluswolken so schön ruhig ist. Fast beim Zielflugplatz angekommen, wird zu spät und plötzlich ein steiler Abstieg eingeleitet und das Funken mit dem Zielflugplatz aufgenommen. Die Arbeitsbelastung (Einteilung der Landung, Heraussuchen der Karte, Konfigurationsänderung trotz Speedüberschuss im Sinkflug, Funken, etc.) steigt. Der Funkspruch eines anderen Luftfahrzeuges in der Platzrunde wird überhört. Es kommt zu einer gefährlichen Annäherung beim Sinken von oben in die Platzrunde
Auch hier ist das Situationsbewusstsein verloren gegangen. Zunächst in der Reiseflugphase vor dem Abstieg. Wäre der Pilot seiner Situation gewahr gewesen, hätte er den erforderlichen Sinkflug und die dazu erforderliche Entfernung zum Flugplatz zum Einleiten des Sinkfluges erkannt und genutzt. Die dadurch geringere, enspanntere Situation, hätte ihn ggf auch in die Lage versetzt den anderen Verkehr durch dessen Funkspruch wahrzunehmen und damit ein besseres Situationsbewusstsein (da ist Verkehr im Gegenanflug) erzeugt. Er hätte damit eine bessere Entscheidung getroffen.

Eine Definition von Situationsbewusstsein im Cockpit

Wir merken an den Beispielen wie wichtig Situationsbewusstsein ist.
Für einen Piloten bedeutet Situationsbewusstsein, dass er sich ein mentales Bild über die bestehende Wechselbeziehung zwischen Standort, Flugbedingungen, Konfiguration und Energiezustand seines Flugzeugs sowie aller anderen Faktoren macht, die seine Sicherheit beeinträchtigen könnten, wie z. B. Gelände in der Nähe oder Hindernisse , Lufträume und Wettersysteme. Dies schließt auch die Prognose des Status in naher Zukunft, also das Antizipieren, mit ein.

Zu den möglichen Folgen eines unzureichenden Situationsbewusstseins gehören

  • Bodenkollisionen (Controlled Flight into Terrain, CFIT),
  • Kontrollverlust,
  • Luftraumverletzung,
  • gefährliche Annäherungen oder
  • die Begegnung mit Wirbelschleppen,
  • Turbulenzen,
  • starker Vereisung oder
  • unerwartet starkem Gegenwind.

Wie äußert sich Situationsbewusstsein im Verhalten des Piloten

ICAO Doc 9995 (Manual of Evidence-based Training) definiert diese Kompetenz als die Fähigkeit des Piloten, alle verfügbaren relevanten Informationen wahrzunehmen und zu verstehen und vorauszusehen, was passieren könnte, was sich auf den Betrieb auswirken könnte.

Der Pilot:

  • Identifiziert und bewertet den Zustand des Flugzeugs und seiner Systeme genau.
  • Identifiziert und beurteilt genau die vertikale und laterale Position des Flugzeugs sowie seinen voraussichtlichen Flugweg.
  • Identifiziert und bewertet die allgemeine Umgebung genau, da sie den Betrieb beeinflussen kann.
  • Überwacht Zeit und Kraftstoff.
  • Hält das Bewusstsein für die am Betrieb beteiligten oder vom Betrieb betroffenen Personen und ihren Fähigkeiten, die erwarteten Leistungen zu erbringen, aufrecht.
  • Antizipiert/Erwartet, was passieren könnte, plant entsprechend und bleibt der Situation einen Schritt voraus.
  • Entwickelt wirksame Notfallpläne basierend auf potenziellen Bedrohungen.
  • Identifiziert und bewältigt Bedrohungen (threats) für die Sicherheit des Flugzeugs und Menschen.
  • Erkennt Anzeichen eines verminderten Situationsbewusstseins und reagiert effektiv darauf.

Situationsbewusstsein erlangen und aufrechterhalten

Wie kommt man nun also zu einem guten Situationsbewusstsein? Sicherlich gehört dazu erstmal eine gesunde Basis an Wissen, welches man durch Ausbildung und auch Erfahrung aufgebaut hat. Das ist aber nur der Anfang. Im Flug dann erfolgt die Erlangung des Situationsbewusstseins in drei Stufen:

  • Die Wahrnehmung dessen, was gerade passiert (Stufe 1)

    Die Wahrnehmung was gerade passiert erfolgt durch sammeln ausreichender und nützlicher Daten durch unsere Sinne (Seh-, Hör- und Tastsinn). Dabei müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Aspekte unserer Umgebung richten und das wahrgenommene mit den Erfahrungen und dem Wissen im Gedächtnis abgleichen. Es ist ein aktiver Prozess der auch Disziplin verlangt, sowie das Wissen darum wonach, warum und was wahrgenommen werden muss.

  • Das Verstehen des Wahrgenommenen (Stufe 2)

    Unser Verständnis der Situation entsteht durch die Kombination von Beobachtungen aus der realen Welt mit Wissen und Erfahrungen aus dem Gedächtnis. Wenn es uns gelingt, Beobachtungen mit Wissen und Erfahrung abzugleichen haben wir ein genaues mentales Modell unserer Umwelt entwickelt. Dieses mentale Modell muss mit Eingaben aus der realen Welt auf dem neuesten Stand gehalten werden, indem auf ein breites Spektrum an Informationen geachtet wird.

  • Die Nutzung des Verstandenen zum Vorausdenken (Stufe 3)

    Das Verständnis der Situation wiederum ermöglicht uns auch vorauszudenken und den zukünftigen Zustand unserer Umwelt zu projizieren. Beispielsweise wo und in welchem Energiezustand wird mein Flugzeug sich in einer Minute, in 5 Minuten, in 10 Minuten befinden. Erst dieser Schritt ermöglicht es dem Piloten gute Entscheidungen zu treffen.

Ein, nach wie vor, auf traurige Art spektakulärer Unfall erinnert uns an die Wichtigkeit beständig an einem guten Situationsbewusstsein (SA) zu arbeiten.

Eastern Air Lines Flug 401 war ein Linienflug von New York nach Miami im Jahr 1972. Kurz vor Mitternacht stürzte die Lockheed TriStar in die Florida Everglades und forderte insgesamt 101 Todesopfer.

Der Absturz ereignete sich, während die gesamte Cockpitbesatzung (Pilot, Co-Pilot, Flugingenieur und ein weitere Techniker auf dem Jump Seat) mit einer durchgebrannten Fahrwerkskontrollleuchte beschäftigt war. Aufgrund der Fokussierung der Crew auf das vermeintliche Fahrwerksproblem wurde der versehentlich eingeleitete Sinkflug (in der Nacht) nicht bemerkt. Niemand hat die Situation erfasst und auf den Höhenmesser geschaut. Das Flugzeug verlor dadurch nach und nach an Höhe bis es mit dem Boden kollidierte.

Ablenkungen, im Reiseflug träumen, Informationen nicht wahrnehmen, falscher Fokus. All das gilt es aktiv zu bekämpfen und sich der möglichen Auswirkungen dieser Dinge bewusst zu machen. Dann hat Situationsbewusstsein ein Chance zu entstehen. Und dann treffen wir die richtigen Entscheidungen. Es liegt an uns.



Fliegen hinter der Leistungskurve

(Flying behind the power curve)

Gesamtwiderstand - November 2023 by Knut Denkler

Wenn man am Steuer zieht steigt das Flugzeug. Das weiß doch jedes Kind! Und wenn man zuviel zieht kann die Strömung am Flügel ablösen und das Flugzeug stellt das fliegen ein. Weiß auch jeder. Ein Flugzeug kann oberhalb der Geschwindigkeit des Strömungsabriss fliegen, im unbeschleunigten Geradeausflug bei voller Motorleistung und dennoch nicht steigen?
Wie geht das? Ich spreche über die eher unbekannte Falle: dem Fliegen hinter der Leistungskurve

Ein anderes Beipiel dafür: Anflug auf die Piste, Du merkst Du bist zu tief und zu langsam. Die Bäume kommen immer näher. Dir wird klar, auf diesem Flugweg kommst Du zu kurz. Um den Sinkflug zu beenden gibst Du Gas und ziehst am Höhenruder.

Aber das Ergebnis stimmt nicht. Du wirst langsamer aber steigst nicht.

Was passiert hier?

Beim Fliegen hinter der Leistungskurve geht es um den Zusammenhang von Motorleistung und Widerstand.

Wir erinnern uns

Gesamtwiderstand

Wir kennen aus dem Theorieunterricht unterschiedliche Arten von Widerstand. Parasitären Widerstand und der Widerstand aus dem Auftrieb, genannt Induzierter Widerstand.
Im Bild links können wir erkennen, dass der Parasitäre Widerstand (aus der Reibung, der Form und der Interferenz) mit zunehmender Fluggeschwindigkeit zunimmt. Der Induzierte Widerstand, der aus dem Auftrieb resuliert, ist groß bei hohen Anstellwinkeln und damit bei langsamen Geschwindikeiten.

Also, so wie der Parasitäre Widerstand bei hohen Fluggeschwindigkeiten am höchsten ist, ist der induzierte Widerstand am größten, wenn man langsam und "Nose-up" fliegt. Und je größer der Anstellwinkel und je langsamer Du fliegst, desto mehr und größer wird der Induzierte Widerstand. Durch das Üben des Langsamflugs bei minimaler Fluggeschwindigkeit bekommst Du einen Eindruck des Flugverhaltens deines Flugzeugs bei hohem induziertem Luftwiderstand.


Aber wie überwindet man den Widerstand?

Bei hohem parasitären Widerstand - mehr Motorleistung geben! Allerdings, wird der Widerstand irgendwann so groß sein, wie die maximale Motorleistung. Schneller kann das Flugzeug im Horizontalflug nicht fliegen. Soweit so klar und auch kein Problem.

Für den Induzierten Widerstand ist das etwas komplizierter. Der Widerstand wird groß im Langsamflug. Und wenn du im Langsamflug bei maximaler Motorleistung ankommst, kannst du durch ziehen am Höhenruder, also durch Erhöhung des Anstellwinkes, nur noch mehr induzierten Widerstand erzeugen und du wirst noch langsamer statt zu steigen. Und damit bist du auf dem Weg zum Strömungsabriss.

Hier sprechen wir vom Bereich der umgekehrten Steuereingaben (region of reversed command). Denn um doch noch zu steigen, musst du erst nachdrücken um den Widerstand zu verringern. Erst dann reicht die gesetzte Motorleistung auch wieder für einen Steigflug. Aber nachdrücken in Bodennähe ist vielleicht nicht so gut, wenn du dafür schon zu tief bist.

Gibt es einen fixen Punkt, an dem diese "Region of reversed command" startet?

Leistungskurve

Absolut! Im Bild siehst Du eine typische Leistungskurve um dies zu veranschaulichen. Am untersten Punkt (Punkt C) siehst Du die Geschwindigkeit das die größte Flugdauer ermöglicht. Denn hier ist die benötigte Motorleistung am geringsten. Etwas rechts davon (Punkt D) findest Du die Geschwindigkeit für die größte Reichweite. Mit nur etwas mehr Kraftstoff hättest Du eine deutlich höhrere Geschwindigkeit.
Auch interessant: es Bedarf genauso viel Leistung mit 45 Knoten (Punkt A) zu fliegen, wie es braucht, um mit einer Reisegeschwindigkeit von 115 Knoten (Punkt B) zu fliegen. Alles für unser typisches aber erdachtes Flugzeug.
Also bei einer Geschwindigkeit unterhalb von Punkt C, haben wir es mit der "Region of reversed command" zu tun. Ab hier führt eine Verlangsamung des Flugzeugs zu einem erhöhten Widerstand!

Was können wir davon also mitmehmen?

Erstens: Wir müssen im Anflug darauf achten im richtigen Gleitweg zu bleiben und in der korrekten Anfluggeschwindigkeit. Wer zu tief und zu langsam wird, findet sich ganz schnell in einer ausweglosen Situation wieder, wo nur noch nachdrücken den Widerstand wieder kleiner macht als die verfügbare Motorleistung. Und ohne überschüssige Motorleistung findet kein Steigflug statt.
Zweitens: Beim Durchstarten aus geringer Höhe kommt man auch unter Umständen in das beschriebene Dilemma, hier gilt, eine möglichst frühe Entscheidung zum Durchstarten ist der Schlüssel! Es gibt uns die Höhe in der wir zum Beschleinigen ggf kurz nachdrücken können. Über einer Piste oder bei einem Touch and Go, sollte man zunächst im Bodeneffekt beschleunigen, bevor man versucht vom Boden weg zu fliegen. Also erst auf Vx beschleunigen und dann erst steigen ist der richtige Ansatz.

Diese Lektionen mussten leider einige Piloten mit dem ultimativen Preis bezahlen. Da kann man besser hier mal darüber lesen und nachdenken, oder? Das sollte am besten auch jedes Kind wissen ;-) Guten Flug!



Stalls

base to final turn - Okt 2023 by Knut Denkler, frei nach einem Facebook-Post von Dudley Henriques zum Thema
Ein Thema welches Flugschüler und solche die es werden wollen umtreibt, hat mit dem 'Stall' also mit dem Strömungsabriss zu tun. Vielfach schwingt dabei eine gewissen Angst mit und immer auch die Frage, wie man mit dieser Angst vor dem Stall umgehen soll. Oft geht es bei den Diskussionen von Fluglehrern und Flugschülern dabei entweder um das Üben eines Stalls im Rahmen der Schulung oder der Vermeidung von Stalls. Letztere ist, was wir den Schülern heute beibringen.

Sehr selten geht es aber um die Frage, was ist zu tun, wenn ich alles falsch gemacht habe. Was, wenn aller Ausbildung zur Vermeidung von Stalls zum Trotz, ich mich in einem Flugzeug befinde, welches in niedriger Höhe soeben einen Stömungsabriss erleidet und das fliegen einstellt. Was nun? Diese Situation wird selten im Detail besprochen und diskutiert. Wie bereits erwähnt vermitteln wir (ich denke auch erfolgreich) ja die Vermeidung genau dieser Situation. Alles was man als Flugschüler oder später über den Stromungsabriss gelernt hat und man auch in Büchern wiederfindet, kann einem also nicht wirklich helfen, da es eine andere Ausrichtung hat.

Was also tun, wenn Du plötzlich Kommandant eines Flugzeugs bist, das gerade in geringer Höhe dabei ist im Strömungsabriss über einen Flügel ab zu kippen? Zunächst mal stellt sich die Frage ob Du in einer Kurve bist. Bist Du in einer Kurve und hast zu wenig Seitenruder gegeben (die Kugel des Wendezeigers befindet sich auf der Kurveninnenseite, Slip), wird die hohe Flügel zuerst abkippen, was Dir etwas mehr Zeit gibt. Sollte die Kugel auf der Außenseite der Kurve liegen (zu viel Seitenruder, Skid), fällt der tiefe Flügel runter.

Turn coordinators

Aber all das ist wieder nur Theorie, denn auch wenn der Ball in der Mitte ist, ist nicht klar ob Du wirklich koordiniert fliegst und ob Du 'nur' durchsacken wirst oder ob der Ball nur 'in Bewegung' von einer Seite zur anderen ist. Du wirst es in diesem kritischen Moment einfach kurz danach erfahren, quasi 'on the fly'.

Was aber klar ist: Es geht um Zeit. Denn egal wie viel Flugerfahrung jemand hat. Wer sich in einer solchen Flugsituation wiederfindet hat zunächst mal die so genannte Schrecksekunde (englisch: Startle Factor). Das Gehirn braucht Zeit um zu verstehen, was gerade passiert und was man dagegen tun kann. Das Gehirn arbeitet dabei genau diese beiden Punkte ab. Hintereinander! Diese Zeitspanne kann man VIELLEICHT(!) etwas verkürzen durch wiederkehrende Briefings und mentale Vorbereitung auf diese Situation. Und jeder noch so kleine Zeitgewinn kann in dieser lebensbedrohlichen Situation der kleine, letzte Punkt sein, der über Leben und Tod entscheidet. Daher macht es Sinn den nun folgenden Teil zu lesen, vielleicht rettet es mal Dein Leben, wenn Du dich in diese, eigentlich zu vermeidende, Situation geflogen hast:

Du musst den EINEN Fehler vermeiden. Den EINEN Fehler, der selbst sehr erfahrenden Piloten in dieser Situation tragischerweise schon passiert ist. Dieser eine so menschliche Fehler.
Denn bei einem Strömungsabriss in geringer Höhe besteht ein fast nicht kontrollierbarer, reaktiver Instinkt, den Kontakt mit dem sich schnell nähernden Boden durch ziehen am Höhenruder zu vermeiden. Das ist genau das mit Abstand schlimmste was Du tun kannst. Das wäre wahrscheinlich dann Deine letzte Handlung vor dem Aufprall auf den Boden.
Daher ist es so essentiell wichtig sich das folgende in das Gehirn zu brennen:

Bei JEDEM Strömungsabriss musst Du den Anstellwinkel reduzieren, um die Strömung am Flügel wieder herzustellen und das Flugzeug wieder fliegbar zu machen! Egal in welcher Fluggeschwindigkeit oder Lage im Raum sich das Fllugzeug befindet. Du MUSST den Anstellwinkel reduzieren.

In diesem Schockmoment, wenn das Flugzeug in geringer Höhe abkippen will musst Du dich überwinden und nicht am Steuer ziehen, sondern drücken um den Anstellwinkel wieder unter den kritischen Wert bringen. Man kann das nicht oft genug betonen. Man muss den Flügel entlasten, ggf musst Du alle noch verfügbare Höhe dazu aufgeben, und sogar eine leichte Bodenberührung ist dann besser als ein abkippen aus geringer Höhe. Denn so ein abkippen überlebt man meist nicht. Daher: Du musst den Anstellwinkel verringern. Nichts anderes hilft in dieser Situation! Und danach nicht zu schnell wieder ziehen, dann kommt es ggf zu einem weiteren Strömungsabriss dem sekundären Strömungsabriss (secondary stall).

Diese Diskussion zeigt aber auch eines, nämlich warum es so wichtig ist, seinen Flug gut zu planen, in Übung zu sein und die Vermeidung der hier angeführten Situation zur Maxime zu erheben und immer wieder zu üben. Falls Du dich aber dennoch in diese furchtbare Situation geflogen hast, hilft Dir hoffentlich dieser Text.

Noch ein letzter Punkt, der Vollständigkeit halber, dazu als Gedankenanregung: Ein Strömungsabriss hängt nicht zuerst von der Fluggeschwindigkeit ab, sondern nur vom Anstellwinkel und tritt daher auch bei höheren Geschwindigkeiten auf!
Fly safe!



Frei und sinnrichtig!

- September 2023 by Knut Denkler
Frei und Sinnrichtige Flugsteuerung Es steht in jeder Checkliste bzw den Normalverfahren eines jeden Flughandbuchs:

Steuerflächen............Frei und sinnrichtig
oder
Flight Controls...........Free and correct

oder so ähnlich.

Sinn - ja, wäre gut!

Es wird in den Flughandbüchern allerdings nicht erklärt, warum wir das tun und welchen Stellenwert diese Kontrolle hat.

Dabei ist auch dieser Punkt in den Verfahren, wie so viele Verfahren in der Luftfahrt, mit Blut geschrieben worden.

Ein leider auf morbide Art spektakulärer Unfall mit insgesamt 3 Toten sticht dabei heraus, denn der Crash wurde gefilmt. Bitte folge dem Link nur, wenn Du vertragen kann was man dort sieht: Link zum Youtube Video.

Was war passiert?

Man sieht das Ergebnis einer mangelhaften (oder fehlenden) Vorflugkontolle: Der Unfall geschah 1992 nördlich von Winnipeg, Kanada und das Flugzeug war die erste Version mit PT-6-67 Turboprops. Keiner der zwei Testpiloten an Bord und auch sonst niemand überprüfte:

Steuerflächen............Frei und sinnrichtig
oder
Flight Controls...........Free and correct

bevor mit dem Rollen begonnen wurde. Es tut weh, dieses Video anzusehen, aber es ist eine dramatische Erinnerung daran, dass es wirklich gute Gründe gibt, einen gründlichen Vorflugcheck durchzuführen und sicherzustellen, dass die Steuerorgane frei sind.

Die Skylane kann nur noch langsam

Zum Glück glimpflicher, nämlich ohne Personenschäden sind zwei weitere Unfälle in diesem Zusammenhang abgelaufen.
Bei einer Cessna 182 "Skylane" stellte der Pilot 2019 nach dem abheben am Flugplatz Osnabrück-Atterheide ein blockieren des Höhenruders in Richtung „nose down“ fest. D.h. das Steuerhorn ließ sich nicht den ganzen (erfoderlichen) Weg nach vorne drücken. Hier wurde in der Werft ein GPS Halter verbaut, was die Steuerung leider blockierte. Dem erfahren Piloten gelang es nach dem Fliegen einer Platzrunde im unteren Geschwindigkeitsbereich zur Piste zurück zu fliegen, wobei die Maschine dann hart auf der Piste aufprallte und schwer beschädigt wurde. Ein Check des Steuerhorns in alle Richungen bis in die Anschläge(!) vor dem losrollen hätte, dem mit dem Muster sehr vertrauten Piloten, sicherlich hier die bangen Minuten und den Crash erspart. Nachzulesen ist sein Erlebnis hier Link BFU Unfallbericht.

Falsch angeklemmt

Auch bei der Bundeswehr, genauer bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr, gab es 2019 einen Unfall, der zum Verlust des Flugzeugs führte (Bombardier Global 5000). Auch hier konnten sich die Piloten zum Glück retten.

Die Maschine kam aus der Werft und einige der Steuerflächen schlugen nicht sinnrichtig (gemeinsam mit den Querrudern) aus. Dadurch war das Flugzeug kaum steuerbar, ein tödlicher Unfall wurde nur sehr knapp und mit viel Glück verhindert. Leider haben wir keinen Zugriff auf die Unterschung des Generals Flugsicherheit der Bundeswehr, aber wir dürfen annehmen, dass ein Check auch der sinnrichtigen Ausschläge der Steuerflächen vor dem Start hier die sehr gefähliche Situation im Keim unterbunden hätte. Zeitungsbericht zum Unfall des Bundeswehrjets.

Die einfachste Lösung ist manchmal die einfachste

Nach dem einsteigen ins Cockpit bzw. beim entsprechenden Punkt auf der Checkliste checkt man die Steuerorgane. Immer bis in die Anschläge, in alle Richungen und man achtet darauf, dass sich die Steuerflächen entsprechend der Steuerknüppelbewegung bewegen. Und zwar vor JEDEM Flug. Es kann Dein Leben und das Deiner Passagiere retten.

Also, mögen wir alle frei und sinnrichtig fliegen!



You can always go around

- August 2023 by Knut Denkler Ken Dravis

Vielleicht hast Du den Song des Liedermachers und Piloten Ken Dravis schon im Internet irgendwo gehört. Man findet den Song, unter anderem, auf youtube: Link oder bei Spotify.
Es ist selten, dass ein Song direkt uns Piloten anspricht und dazu auch noch ein fliegerisch relevantes Thema transportiert. Ich finde hier ist nicht nur die Verpackung schön, sondern der Inhalt auch interessant!

Der Song spricht, wie der Titel schon sagt über den Go-around, also das Durchstarten. Ken Dravis stellt dabei den Go-around als die optimale Handlungsoption heraus, sobald im Anflug zur Landung etwas nicht stimmt. Hier hat er einen validen Punkt. Warum? Weil wir alle schon Landungen gemacht und gesehen haben, die man schon vorher besser hätte abbrechen sollen. Was sind die Gründe für fortgesetzte Anflüge die nichts gutes verheißen?

Wir, als Gruppe der Piloten und Pilotinnen, sind recht häufig der Gruppe der 'Type A Personalities' zuzuordnen. Also bezogen auf unsere Persönlichkeit, die vom Fliegen, vom Pilotieren eines Flugzeuges angetan sind, eher ehrgeizige, ggf sogar dominate Persönlichkeiten die Ziele erreichen und durchsetzen wollen. Das ist ja auch super um uns beispielsweise durch die quälende Therorie zu pushen.

Aber diese Grundhaltung kann andererseits auch dazu führen, auch einen sub-optimalen Anflug weiter zu fliegen um das Ziel Landung doch noch hin zu biegen.

Wir sollten uns klar machen, das hier ggf genau die Ursache für Unfälle bei Landungen liegen kann. Der Song sagt es: You can always go around (du kannst immer Durchstarten)!

Es gibt aber mindestens eine weitere Ursache für vorgesetzte Anflüge, trotz größerer Abweichungen im Anflug. Als mögliche Abweichungen wären da zum Beispiel:

  • zu hoch
  • zu schnell
  • zu tief und zu langsam
  • falsch konfiguriert (Klappen, Fahrwerk, Carb-Heat, Lichter, Pumpen, etc.)
  • nicht stabilisiert (ungewöhnlich große Ruderausschläge und Leistungsänderungen)
  • zu große Böigkeit
  • zu viel Verkehr (vor einem, ggf auf der Bahn)
  • momentane Unkonzentriertheit
  • nicht getrimmt
  • und nicht gecheckt (Charly-GUMPS)
Eine weitere Ursache für fortgesetzte Anflüge kann sein, dass man als Pilot voll auf das Ziel (Landung) fokussiert ist und die Abweichungen, die Alternativen (go-around) und die Konsequenzen (crash landing) gar nicht mehr aufnehmen und verarbeiten kann.
Das Gehirn ist voll damit beschäftig, dass Flugzeug unter Kontrolle zu halten. Hier erwähnt Ken Dravis die kleine Stimme des ehemaligen Fluglehrers, die im Hinterkopf auftritt und daran erinnert: "You can always go around!". Genau solche kleinen "Stimmen" braucht man um uns aus Situationen heraus zu holen, in denen man Mental am Limit ist (bewußt oder unbewußt!). Man kann es auch als Vertrauen auf sein Bauchgefühl nehmen: Wenn es sich schlecht 'anfühlt'- ist es auch schlech! Dann sollte man die Situation unterbrechen. Und dies bedeutet im Anflug: Durchstarten!

Das Go-Around -Maneuver an sich

Der Go-around oder auf Deutsch das Durchstarten ist ein normales Flugverfahren und sollte eingesetzt werden, wenn Anflug und Landeparamenter nicht den Erwartungen bzw. den Standards entsprechen. Ein Durchstarten soll mögliche gefährliche Situationen bei einem 'weiter so' vermeiden.

Wie also können wir diese positive Flucht nach vorne positiv bestärken?

Repetitio est mater studiorum!

Die Wiederholung ist die Mutter der Studien. Auch Durchstarten muss regelmäßig geübt werden, damit das Gehirn diese Option 'nah bei sich trägt'. Diese Wiederholung sollte im Flugzeug aber zusätzlich zB auch auf der Stuhlkante zu Hause bei Schlechtwetter geleistet werden. Das Durchdenken des Verfahrens alleine bringt schon eine verbesserte Handlungssicherheit, wenn der Go-Around gebraucht wird.

Wie sollte das Verfahren 'Durchstarten' ablaufen?

Das wichtigste zuerst: Der Entschluss zum Durchstarten sollte möglichst früh erfolgen. Je früher desto besser. Also eben nicht gemäß dem Motto "mal sehen ob es nicht doch noch passt". Die Wahrscheinlichkeit für ein "schlechtes" Ergebnis steigt quasi exponentiell.

Dann sind es 'nur' ein paar Handgriffe:

  • Vollgas geben, danach sofort die
  • Vergaservorwärmung aus (kalt) und
  • mit dem Höhenruder das Flugzeug in einen Steigflugwinkel bringen!
  • Auf sichere Geschwindigkeit Vx achten (nicht zu schnell werden, keine Überfahrt herstellen) und die Klappen, stufenweise in die erste Klappenstellung zurückführen. (Wenn Steigflug eingenommen ggf auch das Fahrwerk einfahren.)
  • Ab 400ft über Grund auf Vy beschleunigen und die Klappen ganz einfahren.
  • Luft holen ;-)

Gutes Airmanship im Zusammenhang mit dem Durchstarten ist die frühe Entscheidung und kein 'wird schon gehen'. Lieber einmal mehr Durchstarten als einmal zu wenig. Oder wie Ken Dravis singt: Es wäre doch toll, wenn wir das Flugzeug noch mal benutzen könnten. Also: You can always go around!



Entscheidungen treffen! Aber richtig!

- Mai 2023 by Knut Denkler
Arbeitsbelastung im Cockpit Aeronautical Decision Making - wörtlich übersetzt ins Deutsche: Luftfahrerrische Entscheidungsfindung

Wir lesen Unfallberichte und fragen uns, wie konnte er/sie das nur tun?!? Wie konnte es so weit kommen. Es heißt "im Nachhinein ist man immer Schlauer" aber was ist wenn man selbst "mittendrin" ist? Was kann uns dazu bringen Entscheidungen zu treffen, die wir später bereuen und uns in die Unfallstatisik führen? Und was ist die Gegenmaßnahme? Wie komme ich zu guten Entscheidungen?

Eine gute Entscheidungsfindung beginnt immer mit einem kritischen voraus denken. Also durch Nachdenken was alles passieren kann, bevor es Eintritt. Wer Probleme vorhersieht, wer also der aktuellen Entwicklung im Cockpit voraus ist, der agiert professionell und hat ein gutes Situationsbewusstsein. Es ist die Kunst potenzielle Gefahren, welche einen in Schwierigkeiten bringen können zu erkennen und geeignete Maßnahmen dagegen zu treffen.

Warum Sorgen?

Die Zahlen sprechen für sich. Schlechte Entscheidungen sind Kernursache für viele, wenn nicht gar die meisten Flugunfälle. Jahr um Jahr, ordnet alleine die amerikanische Unfalluntersuchungsbehörde NTSB etwa 75% aller Flugunfälle zurück auf schlechte Entscheidungen der Piloten.

Die meisten Flugunfälle sind also auf schlechte Entscheidungen zurück zu führen und bei schlechten Entscheidungen spielt mindestens einer der folgenden Faktoren eine Rolle:

  • Nützlichkeit,
  • Fähigkeit oder
  • Spaß.

Nützlichkeit

Nützlichkeit bedeutet hier der Versuch das Maximum aus dem Flugzeug heraus zu holen. Also beispielsweise Dinge wie: Einflug in Vereisungsbedingungen, Überladung, maximale Reichweite fliegen, etc.

  • "Oh, das sind aber viele Taschen, ach das passt schon" - ich kann den Fluggästen ja jetzt nicht sagen, dass jetzt eine Tasche am Flugplatz bleiben muss.
  • Real Pilot Story: Ambushed by Ice Youtube Video, auf englisch
  • "Der Kraftstoff ist aber teuer hier. Tanken wir lieber am Ziel. Das gute Wetter mit dem Rückenwind wird ja halten..."

Fähigkeiten

Das Unfallszenario das wir (in der Allgemeinen Luftfahrt) am meisten hören/mitbekommen ist sicherlich der Einflug des VFR Piloten in schlechtes Wetter (IMC). Aber auch andere Umstände kommen immer wieder vor: Landungen bei boeigen Seitenwind, Flüge mit komplexen Luftfahrzeugen ohne ausreichendes "in-Übung" sein, Fliegen "nach Gefühl" statt nach Handbuch (das ist doch was für Anfänger...), etc.

Die Fortlaufende Flugerfahrung ist hier ein Schlüssel. Die Tatsache, wir vor sechs Wochen etwas perfekt machen konnten, bedeutet nicht, dass wir dies jetzt auch auf Anhieb tun können. Eine Fähigkeit/Fertigkeit ist wie eine Nachricht, die in Kreide auf einer Außenwand geschrieben wird - sie wird jeden Tag ein wenig blasser. Erst wenn wir die Nachricht immer wieder neu überschreiben wird es haltbarer. Und selbst dann kann es erodieren, wenn es nicht regelmäßig neu aufgetragen wird. Um 'in Übung' zu bleiben sind Flüge zum Zweck des Übens, jährliche Trainings mit Lehrer/*in und Weiterqualifizierungen der Schlüssel. Wie es im Englischen heißt: Use it - or lose it!

Spaß

Versuchen, zu viel Spaß im Flugzeug zu haben. Dies zeigt sich in Unfallberichten als tiefe Überflüge, Tiefflug, unsachgemäßer Kunstflug usw. Besonders tragisch ist der Unfall (Strömungsabriss in niedriger Höhe) aus Steilkreisen rund um das eigene Zuhause, während die Familie zusehen muss.

Pilot Safety Announcement: Aviation Heroes - ein lustig verpacktes Video (auf englisch) zu diesem ernsten Thema, das viele von uns immer mal wieder unnötige Risiken eingehen.

Go-No-Go Entscheidung

Das schwierigste am Fliegen ist es 'nein' zu sagen heißt es. Die wichtigste Entscheidung ist nämlich ob man startet oder nicht. Die Go-No-Go-Descicion. Hier gibt es aber eine gute Lösung. Die 'persönlichen Minima' Liste. Hierbei schreibt sich der Pilot Zuhause am Schreibtisch auf was seine Minimums sind, mit denen er noch startet. Dies beinhaltet Wetter, aber auch Trainingsstand, Landebahnlängen, Stress etc. Die AOPA USA hat dazu eine Vorlage erstellt und nennt dies Persönliche Minima Vertrag, ein Vertrag also, den der Pilot mit sich selbst abschließt. Die Vorlagen findest Du hier: VFR und für IFR.

Gesundes Urteilsvermögen

Bei einer guten Entscheidungsfindung geht es darum, die Umstände zu vermeiden, die zu wirklich schwierigen Entscheidungen führen. Meistens „schleichen“ sich die wirklich harten Entscheidungen nicht einfach an Piloten heran. Bei Unfällen mit Treibstoffmangel zum Beispiel wussten praktisch alle Piloten, dass sie ihre Treibstoffreserven schmälern, während sie noch die Möglichkeit hatten, auszuweichen.

Druck, ob selbst gemacht oder durch äußere Umstände, treibt uns in schlechte Entscheidungen.

Wir Piloten genießen viel Freiheit. Die Behörden und die Öffentlichkeit setzen viel Vertrauen in uns Piloten und erwarten, dass wir ein gesundes Urteilsvermögen anwenden.
Es wird angenommen, dass wir in der Lage sind verantwortungsbewusst zu entscheiden ob das Fliegen unter Berücksichtigung unseres Erfahrungsniveaus, des Flugzeugtyps, des Ortes, des persönlichen körperlichen und emotionalen Zustandes und der vorherrschenden oder zu erwarteten Wetterbedingungen sicher ist. Es gibt zwei ernste Bedrohungen für die Anwendung dieses Urteils: Wir haben eine übermäßig optimistische Sicht der Situation oder unserer eigenen Fähigkeiten; oder wir werden von anderen Leuten überredet gegen besseres Wissen mit einem Flug fortzufahren (aber du hast es doch versprochen...).

Gute Entscheidungen

Um zu guten Entscheidungen zu kommen braucht es gar nicht viel! Du musst nur:

  • realistisch sein bezüglich des Wetters;
  • immer eine Minimum Safe Altitude (MSA) einplanen und Dich daran halten;
  • Dein Urteilsvermögen verantwortungsvoll einsetzen und dich nie unter Druck setzen lassen zu fliegen (z.B.: von anderen Piloten, von Fluggästen, von der Uhr);
  • Deine eigenen Grenzen kennen;
  • immer gründlich vorbereitet sein:
  • plane mit Eventualitäten (könnte ich auch mit dem Zug mein Ziel noch erreichen, wenn das Wetter umschlägt?)
  • plane mehr als ausreichend Kraftstoff ein
  • sei immer bereit umzukehren;
  • Übe mögliche schwierige Situationen mit Fluglehrer;
  • wende bei der Planung und beim Fliegen etablierte Standards an inkl. der Checklisten; und
  • gehe keine unnötigen Risiken ein und nie versuchen jemanden zu beeindrucken.

Also, lasst uns über unsere Entscheidungen bewusst nachdenken und so 'Many Happy Landings' generieren!



Halo Effekt

- April 2023 by Knut Denkler
Pilot am Steuer

Der Halo Effekt (Heiligenschein-Effekt) beschreibt eine Verzerrung in der Wahrnehmung einer anderen Person. Dabei schließt man von bekannten Eigenschaften einer Person auf eine eigentlich unbekannte Person.
In der Luftfahrt eine typisches Auftreten kann zum Beispiel sein, dass man einem Piloten, von dem man z.B. weiß, dass er bei einer Airline als Profi fliegt, automatisch annimmt, dass diese Person fliegerisch über jeden Zweifel erhaben ist.

Das Problem dabei: In seiner beruflichen Kapazität mag das stimmen. Das kontinuierliche Training im Sim inkl. entsprechender Bewertungen durch die Peers fördern und fordern sicher. Aber im Sichtflug (VFR) im Kleinflugzeug mag kann es da durchaus anders aussehen. Selbst wenn die Person den SEP(land) PIC in seiner Berufspilotenlizenz eingetragen hat. Es ist ja durchaus möglich, dass sich seine Erfahrung in diesem Bereich auf wenige Stunden stützt und diese Person sich im Cockpit einer C172 selbst unsicherer fühlt als in seinem luftigen 'Büro' mit Fensterplatz.


Aus dem Halo Effekt kann eine gefährliche entstehen, wenn man mit jemanden gemeinsam fliegt und man dem Halo-Effekt unterliegt. Was meist auch unbewusst passiert. Die andere Person mag mehr Erfahrung haben, ggf mehr oder höherwertige Lizenzen besitzen oder auch nur eine Persönlichkeit haben, welche Sicherheit und Fachwissen ausstrahlt.

Mögliche, gefährliche Szenarien gibt es viele: Man fliegt zB in Wetter ein, welches man alleine vermeiden würde, weil man annimmt, die andere Person würde schon was tun oder sagen wenn es 'wirklich' gefährlich wäre. Man lässt den anderen Manöver fliegen oder sich zu solchen überreden, die man alleine oder mit einer anderen Person so nie machen würde. Der Halo Effekt führt in diesem Setup zu einer erhöhten Risikobereitschaft. Was aber wenn diese Person den Halo gar nicht verdient. Oder was, wenn die Person schlicht einen schlechten Tag hat. Oder diese Person verlässt sich auf einen genauso wie man sich auf diese Person verlässt. Man merkt - das kann nicht gut sein!

Im Rahmen der Ausbildung von Luftfahrern tritt dieses Phenomen im Grunde standardmäßig auf. Jemand der als Fußgänger startet muss Vertrauen in seinen Fluglehrer haben. In der komplett neue Situation des Fliegens braucht der Flugschüler Halt und Vertrauen um die Anleitungen des Lehrers anzunehmen, sprich das Lernen zu ermöglichen. Ohne Vertrauen würde ja blanke Angst vorliegen.

Aber auch in der Kombination Lehrende/Lernende kann es ja durchaus sein, das der Lehrer einen schlechten Tag hat oder spontan einer risikoreichen Idee folgt ohne diese Risiken vorher durchdacht zu haben.

Ich bin Fluglehrer und ich habe schlechte Tage. Ich treffe auch mal schlechte Entscheidungen. Weder Profis, noch Lehrer, noch Piloten mit tausenden Stunden Erfahrung sind automatisch die Luftfahrtversion eines Marvel-Helden.

DA40 im Kornfeld

Wer mag, kann sich die entsprechenden Unfallberichte ansehen und sicher noch mehr Beispiele in den Datenbanken der weltweiten Unfalluntersucher finden:


Die Gemeinsamkeit dieser Unfälle ist: Die Unfälle fanden im Rahmen von Ausbildung/Prüfung statt. Und sie wären vermeidbar gewesen. Und die Schüler in diesen Szenarien hätten der Flugübung in dem gegebenen Setup 'am grünen Tisch' vielleicht gar nicht zugestimmt. Sich dennoch darauf eingelassen zu haben kann (unter anderem) damit zusammenhängen das man dem Lehrer/Prüfer schlicht 'vertraut' hat. Dann hat der Halo zugeschlagen.

In der Ausbildung gibt es dabei ein weiteres Dilemma: Wie weit lässt man als Lehrender den Schüler/in in eine Situation einfliegen bevor man eine Übung abbricht? Beispiel Motorausfall im Reiseflug: Lasse ich den Schüler bis auf wenige Meter über der ausgewählten Wiese fliegen bevor ich durchstarten lasse oder breche ich schon in 500ft AGL ab und nehme ihm damit den wertvollen Lerneffekt. Das Risiko ist klar: Wenn nun der Motor plötzlich kein Gas annimmt wird ein echter Notfall aus der Übung. Jeder Lehrer ist da ggf (aufgrund seiner Erfahrungen) anders unterwegs.
Deshalb ist es wichtig hier eine Absprache zu treffen. zB. Handelt es sich um eine geeignete, hindernisfreie Wiese, welche man sicher erreicht: Die Übung kann recht tief geflogen werden. Würde man am Ende (wenn keine Leistung vom Motor kommt) keine geeignete Landefläche mehr erreichen, sollte früher wieder durchgestartet werden.

Ich erinnere mich an eine Situation in der ich auf ein neues Muster eingewiesen wurde durch einen Profi mit viel mehr an Erfahrung und Ausbildung. Nach einer Landung auf einer recht langen Piste sagte er plötzlich: "Gas rein - das ist ein Touch and Go". Ich war völlig überrascht. Und ich konnte das Ende der Piste nicht sehen (aufgrund der Krümmung). Das fühlte sich schlecht an. Ich habe das Gas wieder raus genommen und abgebremst. Und? Was war dann? Jedenfalls nichts aufregendes. Wir sind zum Stop gekommen und konnten sprechen. Ich habe erklärt was mich bewegt hat. Der Einweisende sagte: "ok für mich, rollen wir halt zurück. Beim nächsten mal klären wir das vorher".

Wie geht man also mit dem Halo um? Zunächst sollte man sich diesem Phenomen mal klar sein. Denn dann fängt man im Grunde automatisch an Fragen zu stellen an die Person, an die Planung, etc. Was haben wir heute vor? Ist das noch sicher? Was sind die Risiken? Wie soll ich reagieren? Wenn man sich des Halos gegenüber eines Fluglehrer bewusst ist und dieser eine eine Entscheidung trifft, kann man diese hinterfragen. Man kann dann auch eine (risikoreiche) Übung auch abbrechen. Beispiel: Der Lehrer zieht in 400ft das Gas raus. Hat dieses Manöver aber vorher nicht gebrieft, es kam im Takeoffbriefing auch nicht zu Wort. Jetzt sind im Grunde beide im Cockpit unvorbereitet. An dieser Stelle kann man auch als Schüler das Gas reinschieben und sagen: "Sorry, aber das haben wir nicht gebrieft, da fühle ich mich unsicher." Das ist sicher eine harte Maßnahme, vor allem wenn man seinem FI im Grunde ja vertraut. Aber Lehrer wissen: Ich muss die Übungen briefen, auf Risiken hinweisen, und weder den Schüler noch mich selbst 'überraschen'.

Happy Landings!



Nur 1 Zeile überlesen

- März 2023 by Knut Denkler

Wir stehen am Start, ich habe die letzte Checkliste (Vor dem Start / Before Takeoff) abgearbeitet, jetzt geht es los! Ich schiebe das Gas rein. Kommentar von rechts: "Du hast den Transponder nicht an". Ok, einschalten und weiter im Takeoff. Nur ein kleiner Fehler. Kein Problem.

Wie so oft, wenn es um die eigenen Fehler geht, habe ich diesen kleinen Lapsus schnell vergessen. Aber etwas später stolpere ich über einen neuen Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Und der erinnerte mich wieder an den Lapsus. Was war passiert:

Kurzdarstellung

Logo Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Aktenzeichen: BFU21-0271-3X, Luftfahrzeug: Reims Aviation - Cessna F172 H, Ort: Kempten/Sulzberger See, veröffentlicht im: Mai 2022
Der Pilot startete mit der C172 und 3 Fluggästen zu einem privaten Rundflug. Der dritte an diesem Tag. Die kurze Pause zwischen dem 2. und 3. Flug diente nur dem schnellen Nachtanken. Nach den Startchecks (vermutlich per Checkliste) wurde der Startlauf eingeleitet.
"Zum Startlauf gab der Pilot an, dass er eine normale und gewohnte Geräuschkulisse wahrgenommen hat und die Beschleunigung für einen Start auf einer Graspiste ebenfalls gut war. Die Motordrehzahl habe zwischen 2300 und 2400 RPM gelegen. Bei etwa 55 kt habe er das Bugfahrwerk angehoben und bei etwa 65 kt habe das Flugzeug abgehoben. In Bodennähe habe er noch Fahrt aufgeholt." Danach stieg die Maschine nicht weiter. Der Pilot entschied sich zur Notwasserung im Sulzberger See. Personenschaden: Pilot leicht verletzt, 2 Fluggäste schwer verletzt, 1 Fluggast leicht verletzt


Und wie kam es dazu? Im Grunde das selbe wie mir am Anfang dieses Artikels. In der Annahme, dass der Pilot der gesetzlichen Forderung nach Nutzung einer Checkliste nachkam, hat er den einen Punkt in der Checkliste überlesen und/oder nicht durchgeführt

  • bei mir war es: Transponder auf ON/ALT,
  • im Bericht: Klappen wie erforderlich (also Startstellung)

Der Start erfolgte mit voll ausgefahrenen Klappen (30° laut BFU Bericht).

Flugzeugabsturz in See Mit dem durch die Klappen erzeugten Luftwiderstand, der gegebenen Lufttemperatur, der zur Verfügung stehenden Motorleistung und der fast erreichten höchstzulässige Startmasse hat die Cessna keine Chance den Bodeneffekt zu verlassen. Glück im Unglück: Bis zum See gab es wohl kein erhöhtes Hindernis. Allerdings wohl auch keine geeignete Notlandefläche.



§ 27 der Luftbetriebsordnung (LuftBO)

„Der Luftfahrzeugführer hat vor, bei und nach dem Flug sowie in Notfällen anhand von Klarlisten die Kontrollen vorzunehmen, die für den sicheren Betrieb des Luftfahrzeuges erforderlich sind.“

Sind Checklisten also doch Unsinn?

Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Leider.
In diesem Fall war es wohl nur: Überlesen eines Punktes aus der Checkliste.
Bei mir war es der Transponder, dieser ist schnell eingeschaltet, die Auswirkungen dieses Lapsus sind nicht so dramatisch. Aber dennoch ist es ja beängstigend. Wenn ich diesen Punkt aus der Liste überlesen kann, dann kann mir etwas deutlich wichtigeres, wie die Landeklappen zu setzen, auch passieren.

Aber sollte so etwas nicht durch die Verwendung der Checklisten gerade eingedämmt werden? Ja klar! Würden wir sie gar nicht nutzen, würden Fehler noch häufiger auftreten. Daher wurden diese ja durch den Hersteller und auch per Gesetz vorgeschrieben. Aber dennoch sind "in alten Zeiten" ja nicht reihenweise Flugzeuge vom Himmel gefallen. Was übersehen wir?

Eine Checkliste sollte Dinge prüfen, die uns bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind. Die Checkliste soll uns vor dem Lapsus retten, der durch Routine entsteht. Ich interpretiere das so: Ich sollte den Flieger auch ohne Checkliste immer in die richtige Konfiguration bringen können und diese dann nur mit der Checkliste noch mal nachprüfen. Dabei ist die Reihenfolge gar nicht so wichtig. Wichtig ist nur: ich muss beides tun! Selbständig machen, durch (hier positiv gemeinte) Routine und zusätzlich, zur Absicherung, durch eine Checkliste. So wird ein Schuh daraus.

Und noch ein Gedanke: Eine Checkliste ersetzt nicht das Handbuch. Wenn ich nur mit Hilfe einer Checkliste in der Lage bin das Lfz in die richtige Konfiguration zu bringen oder das Triebwerk anzulassen, dann habe ich meine Aufgabe als Pilot nicht wahrgenommen, nämlich mit dem Flugzeug 'wirklich' vertraut zu sein.

Meine Lösung für den Start Check: Ich führe diesen per Checkliste durch aber gehe anschließend noch mal in einem festen Ablauf/Flow (zB von rechts nach links) durch das Cockpit. Haptisch mit der Hand, welche mich leitet.

Fehler passieren dennoch und Stress/Eile sind ein Brandbeschleuniger, aber ggf erwischen wir so den einen "Big Point" mehr, als nur durch ablesen oder überlesen. Also: Transponder 7000/ALT und los!



Eine Tüte bitte!

- Feb 2023 by Knut Denkler
SpucktüteWenn ich selbst ein Flugzeug fliege, werde ich sehr selten "Luftkrank". Als Fluglehrer allerdings gebe ich oft und viel die unmittelbare Kontrolle über das Flugzeug ab. Übelkeit ist auch dann zum Glück selten ein Problem und hat dann meistens eher mit kräftiger Küche vor dem Flug zu tun. Aber wenn die Lernenden es darauf anlegen - nun dann ist ggf. auch Kritik berechtigt (siehe Foto mit Spucktüte).

Phygoid Am besten 'gelingt' den Schülern das Umfärben der Gesichtsfarbe des Lehrers durch, Vorsicht Fachbegriff, eine ausgeprägte Phygoide. Eine Phygoide ist eine Auf- und Abschwingung des Flugzeuges in Längsrichtung (Nase hoch - Nase runter - ...).


Am einfachsten ist dies natürlich zu erreichen, indem man abwechselnd am Steuerhorn zieht und drückt. Aber das ist zu einfach. Eine gute Alternative: Der Übergang vom Steig- in den Reiseflug.

Beobachtet Ist-Verfahren

Die Reiseflughöhe wird erreicht, das Gas und damit die Drehzahl wird zurückgenommen, es wird ‘versucht’ die Höhe zu halten. Was nun passiert ruft nach der Tüte:

  • Das Steuerhorn und ggf auch die Trimmung werden nach vorne bewegt um den Steigflug zu stoppen, aber die Fahrt ist noch nicht ausreichend um die Höhe zu halten, weshalb das Flugzeug in den Sinkflug geht
  • Nun wird am Höhenruder gezogen um die Höhe zu halten, die Drehzahl nimmt langsam zu, was bei unseren Ottomotoren in Kombination mit einem Festpropeller zu mehr Motorleistung führt, das Flugzeug beginnt zu steigen
  • Jetzt muss wieder nachgedrückt werden ggf. wieder in Kombination mit der Trimmung
  • Das Flugzeug gewinnt an Fahrt, aber sinkt wieder und die Motordrehzahl nimmt zu aufgrund der schnelleren Anströmung des Propellers
  • Es wird wieder gezogen aber auch die Drehzahl wieder verringert
  • und so weiter…
Wo ist die Spucktüte?

Viele Fluganfänger sind perfekt in der Lage, über einen längeren Zeitraum eine definierte Höhe zu halten, aber seltener direkt nach erreichen der Reiseflughöhe aus dem Steigflug. Der Grund ist einfach. Das gewählte Verfahren Leistungsreduktion bei Erreichen der Reiseflughöhe ist schlicht ungeeignet. Die Motorleistung (und auch die Drehzahl) ändert sich mit der sich langsam ändernden Geschwindigkeit, die Trimmung agiert als Tempomat (unsere Flugzeuge sind Geschwindigkeitsstabil um eine getrimmte Geschwindigkeit). Sprich mit der Trimmung eine Höhe zu halten, während sich die Geschwindigkeit und die Motorleistung ändern, ist schlicht eine Unmöglichkeit und entspricht der Strafarbeit eines Sisyphus.
Natürlich habe ich das selbst auch jahrelang so gemacht und ich denke bei mir kam das aus einem ‘Autofahrerverhalten’ - wenn ich den Gipfel erreiche, muss ich vom Gas gehen. Aber es gibt eine Lösung für uns:

Das bessere Soll-Verfahren

  • Nach dem Erreichen der vorgesehen Flughöhe wird die Steigleistung des Triebwerks beibehalten
  • Um die Höhe zu halten, muss das Höhenruder gedrückt werden und die Trimmung wird entsprechend nachgeführt (auf die neue Geschwindigkeit!)
  • Drücken und nachtrimmen wird durchgeführt bis die Reisegeschwindigkeit erreicht wird,
  • dann wird die Triebwerksleistung auf den Wert für den Reiseflug reduziert
Und siehe da: nach der Korrektur der Motorleistung ist die Trimmung bereits nachgeführt und das Flugzeug ist stabil in der neuen Höhe angekommen. Mit etwas Übung gelingt es innerhalb kürzester Zeit, hier reproduzierbar eine neue Höhe ‘festzunageln’. Vor allem, wenn man die neue Nicklage (pitch) für den Reiseflug schon im Kopf gespeichert hat.

Das Festnageln einer neuen Höhe ist definitiv ein schöneres Gefühl, als das Gefühl, welches ein Verlangen nach einer Tüte auslöst.



Nein! Nicht abspringen!

- Jan 2023 by Knut Denkler
Fallschirmspringer

Fallschirmspringer sind spezielle Luftsportler. Sie fliegen nicht gerne mit Flugzeugen, sie springen lieber aus ihnen raus. Jedenfalls sind diese Luftsportler immer sehr froh, wenn sie vor der Landung aussteigen dürfen. Ok, könnte auch an mir gelegen haben... In meiner Zeit als Absetzpilot beim schönen FSC Westerstede jedenfalls waren die Springer spürbar angespannt, wenn am Flugzeug z.B. ungewöhnliche Geräusche auftraten. Ich glaube die Springer wollten dann schnell zur Tür raus um mir damit wohl Ruhe zur Lösung des Problems zu geben. Nett! So auch einem schönen Herbsttag vor einigen Jahren. Im Steigflug in etwa 6000ft setzte ich die Vergaservorwärmung der Cessna 182 auf "Hot" und schon fing der Motor an "zu laufen wie ein Schwein klettert". Die großen Augen der Springer*innen und der einsetzende Fluchtinstinkt waren deutliches Zeichen von Unwohlsein. Mein Hinweis, dass das Wasser, welches nun um Vergaser schmolz, gleich weg ist beruhigte nur bedingt - was macht schon Wasser im Motor....

Hintergrund

Vergaservereisung gehört zu einer ganz gemeinen Kategorie von Problemen im Flug.
Erstens: Wenn es sich voll entwickelt hat ist es zu spät es wieder los zu werden (der Motor ist bereits zu sehr ausgekühlt um das Eis abzutauen, trotz gezogener Vorwärmung).
Zweitens ist es schwer die Vergaservereisung zu erkennen und wenn wir es rechtzeitig erkennen und die Vergaservorwärmung einschalten, wird der Motorlauf erstmal deutlich schlechter bevor es wieder besser wird. Das führte bereits bei manchen Piloten dazu die Vergaservorwärmung wieder aus zu schalten, was dann zum Motorstopp führte. Und damit zu einer vermeidbaren Außenladung mit den Risiken die mit einer Außenladung verbunden sind.
Drittens tendieren wir dazu, zu vergessen in welchem Temperaturbereich die Vergaservereisung auftritt. Im Winter sind wir alarmiert. Aber wer rechnet wirklich mit Verweisung bei 20° OAT (outside air temperature)? Dabei tritt gerade hier die Vereisung auf! Wir erinnern uns: Die Menge an Wasser, welche in Luft gespeichert werden kann hängt von der Lufttemperatur ab. Sehr kalte Luft kann nur sehr wenig Wasser speichern. Warme Luft mehr. Daher tritt unterhalb von -7°C kaum noch Vergaservereisung auf. Aber bei 15°C schon deutlich öfter.

Vergaservereisung Chart Das Bild "Carb Icing Chart" zeigt den Temperaturbereich in dem Vergaservereisung auftreten kann. Wir sehen auch, dass die Gefahr bei niedriger Leistung größer ist. Das ist auch der Grund, warum wir im Sinkflug, also bei geringer Motorleistung die Vergaservorwärmung als SOP (Standard Operating Procedure) immer auf "Warm" stellen.


Erkennung von Carb Icing

Eis im VergaserEin leichter Abfall der Drehzahl ist der wahrscheinlichste Hinweis auf das Einsetzen von Vergaservereisung, ein unrunder Motorlauf kann auch ein Hinweis sein. Dies geschieht dies langsam und ohne Gashebelbewegung.
Schon beim Start, wenn die volle Leistung nicht erreicht wird, kann dies ein Hinweis auf Vergaservereisung sein. Daher ist der Check der Motordrehzahl bei Vollgas zu Beginn des Startvorgangs so wichtig. Dazu muss man die normale maximale Drehzahl für jeden unserer Motoren kennen, um dies zu erkennen. Falls man schon vor dem Start Vergaserverweisung vermutet, kann man auch einfach vor dem aufrollen auf die Piste die Vergaservorwärmung einschalten. Wenn die Drehzahl dann abfällt sich aber nach kurzer Zeit selbstständig wieder erholt, lag bereits Vereisung im Vergaser vor.


Betriebshinweise zur Vermeidung von Vergaservereisung

  • Auch im Reiseflug immer mal wieder die Vergaservorwärmung ziehen und mindestens 1 Minute eingeschaltet lassen
  • Beim Run-up die Funktion der Vorwärmung prüfen, dabei darauf achten, ob die Drehzahl sich ggf. von selbst wieder "erholt"
  • Bei verringerter Motorleistung und/oder im Sinkflug die Vorwärmung immer auf "warm"
  • Sollte beim Einschalten der Vorwärmung der Motor plötzlich unrund laufen, Vorwärmung eingeschaltet lassen

Achtung bei Betrieb des Motors mit Autobenzin (MOGAS): Aufgrund seiner höheren Flüchtigkeit ist MOGAS anfälliger für die Bildung von Vergaservereisung. Bei bis zu 20°C höheren Außenlufttemperaturen als bei Flugbenzin (AVGAS) kann es bereits zur Eisbildung kommen.

Die Fallschirmspringer haben die Nerven jedenfalls behalten und konnten dann ein längere Freifall genießen, da sie dann doch bis zur Absetzhöhe an Bord geblieben sind. Und ich durfte wieder alleine die Höhe in einem intakten Flugzeug abbauen und landen. Warum noch mal sollte man da rausspringen wollen? - Keine Ahnung! ;-)



Was ist Airmanship?

- Jun 2020 by Knut Denkler

"Airmanship? Ich weiß zwar nicht was es ist, aber ich erkenne es wenn ich es sehe… "

So geht es vielen Piloten.

(Deutschsprachige Piloten haben es noch etwas schwerer, da sogar eine sinnvolle Übersetzung des Wortes Airmanship ins Deutsche fehlt. Manchmal wird es mit „Verhalten als Luftfahrer“ übersetzt was aber auch wenig erklärt und unserer Meinung nach auch zu kurz greift. Besser wäre es sich an die Übersetzung des Wortes Seamanship – seemännisches Geschick an zu lehnen. Das würde dann etwas wie "luftfahrerisches Geschick" ergeben… nun ja... man muss vielleicht auch nicht alles übersetzen…;-)

Was also ist „Airmanship“?

Innerhalb der Luftfahrt-Community, gibt es viele Definitionen und Konzepte zum Airmanship. Es ist schwierig aus der Literatur zum Thema Airmanship herauszufiltern ob es sich bei Airmanship um einen Prozess, eine Einstellung, eine Fähigkeit oder um ein Ergebnis vieler Faktoren handelt. Diese Faktoren können sein: Fähigkeiten, Urteilsvermögen, Situationsbewusstsein oder einfach nur die „richtige“ Einstellung.

Die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) definiert in der EU-Verordnung 1178/2011 im Part-FCL.010:
„Verhalten als Luftfahrer (Airmanship)“ bezeichnet die kohärente Anwendung der Urteilskraft und gut entwickelter Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen, um Zielsetzungen im Rahmen eines Fluges zu erreichen.

Die bisher beste Definition gibt Lt Col Dr Anthony “Toni” Kern in seinem Buch „Redefining Airmanship“ (ISBN 0070342849 / 9780070342842) aus dem wir hier zitieren.

Definition des Begriffs „Airmanship“ (nach Kern, 1996)

"Airmanship ist die konsequente Nutzung von gutem Urteilsvermögen und gut entwickelten Fähigkeiten um fliegerische Ziele zu erreichen.

Die erforderliche Basis von gutem Airmanship besteht aus:

  • dem Grundpfeiler einer kompromisslosen Flugdiziplin
  • der systematischem Fähigkeitsentwicklung (lernen) und
  • des in Übung sein bzw. bleiben (proficiency).

Ein hoher Grad an Situationbewustsein (SA - Situational Awareness) komplettiert das Airmanship Model.

Dies wird erreicht durch umfassendes Wissen um einen selbst, das Luftfahrzeug, die Umwelt, dem Team und den Risiken.“

Zum Verständnis

Das Airmanship Modell kann man sich zum besseren Verständnis als ein Gebäude vorstellen. Dabei verkörpern die einzelnen Bausteine bestimmte Aspekte des Airmanship.

  • Disziplin ist dabei die Grundschicht/Basis für gutes Airmanship. Es ist die Fähigkeit und der Wille sicher zu Fliegen.
  • Darauf baut sich das Fundament aus Fähigkeiten (Skills) und in Übung sein (Proficency) auf. Beide beinhalten technische als auch nicht technische Aspekte.
  • Ein tiefes Wissen um die verschiedenen Themen (one’s self, aircraft, environment, team and risk) bilden die Säulen des Airmanship auf denen der Dachstuhl,
  • das Situationsbewusstsein (SA - Situational Awareness) liegt. Erst Wissen ermöglicht Situationsbewusstsein. Ebenso wie Urteilsvermögen ist SA eine Fähigkeit die man entwickeln muss.
  • Urteilsvermögen bildetet in diesem Bild das Dach – Alle Elemente von der Basis über die Fundamente, den Säulen und dem Dachstuhl unterstützen ein gutes Urteilsvermögen und die Entscheidungsfindung wie alle tragenden Elemente eines Gebäudes das Dach tragen.

Airmanship Model

Indikatoren

Es gibt mehrere Indikatoren gutes Airmanship.

In erster Linie zeichnet einen guten Piloten aus, dass er mögliche Gefahren durch Voraussicht und ständiges Aufrechterhaltung des Situationsbewusstseins antizipieren kann und er fundierte Pläne macht die diese Gefahren berücksichtigen.

Am leichtesten erkennt man gutes Airmanship, wenn es bei tatsächlich auftretenden Problemen von Piloten/Besatzungen gezeigt wird. Eine gute Flugbesatzung analysiert dann korrekt die dynamische Situation, wendet fundiertes Urteilsvermögen an und trifft problemlösende Entscheidungen. Dabei nutzt die Besatzung die verfügbaren Ressourcen und setzt die richtigen Prioritäten um ihre Ziele zu erreichen. Die Besatzung zeigt dabei Disziplin, gutes Teamwork, sowie die Fähigkeit mit allen geeigneten Stellen klar zu kommunizieren. Sie wendet dabei ein umfassendes Wissen und Know-how zu der aufgetretenen Situation an.

Kann man Airmanship erlernen?

Es ist zwar wahr, dass Airmanship eine persönliche Qualität ist und dass der Einzelne in seiner natürlichen Fähigkeit variiert aber generell können Piloten durch aufzeigen der Bausteine des Airmanship-Models geschult und motiviert werden. Dabei können die Airmanship-Fähigkeiten von Piloten mit einer Reihe von Kenntnissen und Methoden verbessert werden.

Allerdings ist das Führen von Flugzeugen mehr als das Anwenden von erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen. Es Bedarf auch der richtigen Einstellung und das Streben nach optimaler Performance zu jeder Zeit. Diese Einstellung und dieses Streben ermöglicht es Piloten die höchsten Level des Airmanship zu erreichen.

 

Quellen:
  • Spence/Ebbage RTO-MP-HFM-101: Paper 8: Airmanship Training For Modern Aircrew
  • Toni Kern - Redefining Airmanship (ISBN 0070342849 / 9780070342842)